Review: Native Instruments Retro Maschines MK2

Vintage-Synth-Charme in Preset-Form – brauchbar, aber eingeschränkt
Wer elektronische Musik produziert, stolpert irgendwann über Retro Machines MK2 von Native Instruments – eine Sammlung gesampelter Analog- und Vintage-Synths, eingebaut in ein schlichtes Kontakt-Instrument. Klingt erstmal gut: 80er-Flair, Analogsound, kein CPU-Verbrauch wie bei Softsynths. Aber die Realität ist – wie so oft – etwas nüchterner.
Inhalt: Viele Klassiker – in einer Art Zeitkapsel
Die Library basiert auf rund 16 Vintage-Synthesizern und Keyboards. Mit dabei sind unter anderem:
- Roland Juno-60
- ARP Solina
- Moog Minimoog
- Korg MS-20
- Yamaha CS-5
- und ein paar Electric Pianos und Organs
Klingt nach viel, aber: Man bekommt keine Synths, sondern fertige Patches. Alles ist gesampelt – keine echte Synthese, keine tiefen Eingriffe. Wer „preset surfing“ mag, kommt hier auf seine Kosten. Wer modulieren, morphen oder Sounddesign betreiben will, eher nicht.
Klang: warm, fett – aber schnell austauschbar
Positiv: Die Sounds haben durchaus Wucht. Gerade für Pads, Synthbrass, Vintage-Basslines oder Arps liefern die Patches direkt usable Material – vor allem für retrofuturistische Produktionen, Synthwave, Electro, Funk oder Lo-Fi-House.
Aber:
- Die Klangästhetik ist stark auf die 70s/80s fokussiert – man kommt klanglich schnell in einen sehr bestimmten Vibe.
- Viele Sounds wirken bereits „produziert“ – sie klingen sofort gut, aber lassen sich schlecht in andere Richtungen verbiegen.
- In modernen Mixes muss man fast immer EQ und FX drauflegen, sonst verschwinden sie im Arrangement.
- Im Vergleich zu echten Softsynths (wie u-he Diva oder Arturia Synths) fehlt Tiefe und Bewegung – es klingt eben wie: gesampelt.
Für Beats und Lo-Fi kann das passen, weil es genau diesen leicht „flachen“ Vintage-Charakter bringt. Aber wer dynamisch spielen oder mit Automationen arbeiten will, kommt hier schnell an die Grenze.
Bedienung: Smart – aber auch sehr eingeschränkt
Das GUI ist simpel. Native Instruments hat ein sogenanntes „Smart Control“-Layout gebaut, das sich pro Patch leicht verändert, aber meist nur Zugriff auf:
- Filter (LP/HP mit Resonanz)
- Amp- und Filter-Envelope (ADSR)
- Basic LFO (oft nur Vibrato oder PWM)
- Modwheel-Zuweisung (z. B. für Cutoff oder Pitch)
- Simple FX-Sektion (Delay, Chorus, Reverb)
Das funktioniert – aber es bleibt alles sehr oberflächlich. Du kannst einen Pad-Sound nicht wirklich verbiegen, höchstens andeuten, dass da was passiert. Kein Routing, kein Layering, keine Modmatrix. Alles eher „Preset-Spieler“ als echtes Synth-Tool.
Workflow für elektronische Musik & Lo-Fi: Praktisch als Sample-Futter
Ich persönlich nutze Retro Machines MK2 nicht als vollwertiges Instrument, sondern eher als Quelle für Texturen oder Hooks, die ich resample und zerschnipsle:
Pads einfrieren, durch Tape oder Vinyl-Sim schicken Arps aufnehmen, loopen, mit Bitcrusher oder Pitch-Effekten bearbeiten Basslines als Grundlage für resampelte, tiefer liegende Grooves nutzen
Gerade weil die Sounds nicht besonders „dynamisch“ sind, lassen sie sich gut loopen oder layern – man muss nur akzeptieren, dass hier keine echten Klangverläufe oder Modulationen passieren.
Fazit: Mehr Sample-Pack als Instrument
Retro Machines MK2 ist kein Tool für Sounddesigner, sondern ein Fundus an brauchbaren Vintage-Presets mit klarer klanglicher Ausrichtung. Wenn du Beats machst, Lo-Fi schraubst oder eine kurze Hook brauchst, die nach 1983 klingt, ist das Ding nützlich. Für moderne, wandelbare Synth-Sounds ist es schlicht zu limitiert.
Gerade in Verbindung mit Effekten oder externem Processing (RC-20, SketchCassette, VHS FX, etc.) kann man viel rausholen – aber man muss aktiv ran. Out of the box wirkt vieles schnell austauschbar oder zu glatt.